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Beitrags Sprache: Deutsch
Unter-Überschrift: Warum Fähigkeiten in Legal Design so wichtig sind
Lesezeit 5 Min.
Beitrags Kategorie: Legal Design
Beitrags Art: Artikel
Farbe: Rot
Marion Ehmann
Rechtsanwältin, CLP-Referentin, CLP

Wo Kreativität, Innovation und Perfektionismus auf Juristen in multidisziplinäre Teams treffen.


 

 

 

Was wir Juristen lernen können, wenn wir an Legal Design Arbeitsprozessen teilnehmen

Die aktive Teilnahme an Legal Designprozessen bringt für uns Juristinnen und Juristen deutlich mehr als nur das jeweils erzielte Ergebnis (siehe dazu einige gelungene Beispiele für Legal Design im ersten Teil dieses Beitrags – https://www.legal-revolution.com/de/the-legal-revolutionary/wirtschaft-und-management/legal-design-teil-1).

Wir können dadurch Fähigkeiten entwickeln und trainieren, die den allermeisten von uns weder in die Wiege gelegt noch in der Juristenausbildung vermittelt wurden und die auch im juristischen Arbeitsalltag meistens stark vernachlässigt werden. Dazu gehören u.a. ein starker Fokus auf die Perspektive der Anwender von juristischen Dienstleistungen oder Arbeitsprodukten, die Arbeit in multidisziplinären Teams, die Entwicklung innovativer und kreativer Lösungen sowie der Umgang mit noch-nicht-perfekten Lösungen (oder gar dem Scheitern) in einem iterativen Arbeitsprozess. Wie funktioniert das?

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Anwender im Fokus

Im Fokus eines Legal Design Arbeitsprozesses stehen immer die Anwender einer Dienstleistung oder eines Produkts. Dies ist vielleicht der wichtigste Aspekt des Designansatzes. Als Juristen verlieren wir jedoch allzu oft diese Anwender aus den Augen. Wenn wir Verträge, AGBs oder Datenschutzrichtlinien entwerfen, dann schreiben wir in erster Linie für andere Juristen, sei es in Gestalt der Rechtsabteilung, die unsere Produkte prüft und bezahlt, sei es in Gestalt des Gerichts, das in einem etwaigen Streitfall unseren Vertrag auslegen soll. Meistens entwerfen wir nicht für diejenigen, die unsere Entwürfe verstehen, ggf. unterschreiben und in ihrer Lebenswirklichkeit umsetzen sollen: unsere Mandanten oder deren Angestellte, die Verbraucher an die unsere Mandanten etwas verkaufen wollen oder die Öffentlichkeit, die unsere Dokumente lesen und verstehen soll. Werfen Sie als Kontrast einmal einen Blick auf die Beispiele der Verträge der nächsten Generation der International Association for Contract and Commercial Management https://journal.iaccm.com/contracting-excellence-journal/contract-simplification-the-why-and-the-how.

Legal Design fordert sehr nachdrücklich und handgreiflich Empathie mit den Anwendern juristischer Dienstleistungen von uns ein: die Erstellung von Anwenderprofilen und -reisen sowie Interviews und Tests von Prototypen gehören zum Standardprogramm.


Die Stärken multidisziplinärer Teams

Legal Design ist per Definition eine Übung im Arbeiten in multidisziplinären Teams. Um gute Ergebnisse zu erzielen, braucht es die unterschiedlichen Perspektiven von z.B. Juristinnen und Juristen, Geschäftsleuten, Kommunikationsfachleuten und Softwarespezialisten. Mit anderen Worten: wir sind gezwungen, mit den von uns gerne so genannten „Nichtjuristen“ auf gleicher Augenhöhe zusammen zu arbeiten. Apropos: Wir könnten bei der Gelegenheit aufhören, sie so zu bezeichnen. Jemanden als das zu bezeichnen, was sie oder er nicht ist, ist in meinen Augen unhöflich (auch wenn ich früher diese Bezeichnung schon aus reiner Gewohnheit natürlich auch verwendet habe). Wir scheinen auch die einzige Branche zu sein, die mit dieser Bezeichnung um sich wirft. Oder kennen Sie Nicht-Bäcker oder Nicht-Ärztinnen.


Kreativität und Innovation braucht einen Rahmen

Ein erfolgreicher Legal Designprozess beruht auf der geballten Kreativität des Design Teams. Kreativität braucht einen geschützten Rahmen in Form von psychologischer Sicherheit (interessant hierzu der Artikel von Charles Duhigg über das Forschungsprojekt „Aristotle“ bei Google https://www.nytimes.com/2016/02/28/magazine/what-google-learned-from-its-quest-to-build-the-perfect-team.html). Ein Legal Designprozess, so chaotisch und unreguliert er manchmal wirken mag, folgt Regeln und Strukturen, die diesen geschützten Rahmen gewährleisten. Zu den Grundregeln gehören z.B. die Vorgaben, Bewertungen zunächst zurück zu stellen, auf den Ideen anderer aufzubauen („ja, und …“) und allen Vorschlägen nacheinander zuzuhören. Das praktische Üben dieser Grundregeln scheint mir eine wichtige Übung gerade für uns Juristinnen und Juristen zu sein. Zu unseren Stärken gehört es im Normalfall, eine schnelle Bewertung abzugeben, möglichst schnell nach Lösungen zu suchen, „ja, aber …“ zu sagen und unsere Standpunkte eloquent zu vertreten. So wichtig diese Stärken in der juristischen Arbeit sein mögen, so sind sie uns manchmal auch im Weg. Wenn wir den für den Designprozess erforderlichen Stärken mehr Raum geben, wird unser Kompetenzprofil wesentlich runder und vollständiger.


Umgang mit Perfektionismus?

Ein weiterer Eckpfeiler des Designprozesses ist der Grundsatz, Prototypen zu erstellen und möglichst schnell zu testen, um aus Fehlern zu lernen und dann eine bessere Dienstleistung oder ein besseres Produkt zu entwickeln. Dieser Prozess ist iterativ, nicht linear: er findet in mehreren Schleifen so lange statt, bis das Designteam mit dem Ergebnis zufrieden ist und die Anwender das Ergebnis validiert haben. Schauen Sie sich mal die Fallstudie des Finnischen Instituts für Schiedsgerichtsbarkeit zur Entstehung des im ersten Teil erwähnten Flussdiagramm an https://www.legalbusinessworld.com/single-post/2018/11/13/A-Legal-Design-Case-Study). Der Legal Designprozess ist sehr strukturiert, kann aber zuweilen etwas “unordentlich” wirken. Dies stellt mitunter eine große Herausforderung für Juristinnen und Juristen dar, da wir oft perfektionistisch veranlagt sind und das Scheitern bzw. Fehler zu machen womöglich mehr als alles andere fürchten. Deshalb ist es sehr hilfreich, wenn uns die Regeln des Designprozesses dazu zwingen, unsere Ergebnisse so früh wie möglich zu präsentieren, die Rückmeldung der Anwender einzuholen, um dann wieder in den Prozess der Ideenfindung einzusteigen und unsere Ergebnisse zu verbessern. Denn was „gut“ oder „besser“ ist, entscheiden wir nicht allein, sondern im Dialog mit den Anwendern. (Und nach einem solchen Designprozess kann es sich manchmal fast wie eine Erholung anfühlen, in das stille Juristinnenkämmerlein zurückzukehren und eine Weile ganz allein an einem Schriftsatz zu feilen, bis dieser „perfekt“ ist).


Schlussbetrachtung: Warum Fähigkeiten in Legal Design so wichtig für unsere berufliche Zukunftsperspektive sind

Fokus auf die Perspektive von Anwendern, Arbeit in multidisziplinären Teams sowie die Fähigkeit zur Entwicklung innovativer und kreativer Lösungen sind wichtige Kompetenzen, die wir Juristinnen und Juristen entwickeln müssen, wenn wir auch in Zukunft als Rechtsberater für Unternehmen und Verbraucher relevant bleiben wollen. Viele unserer Kompetenzen und Stärken wie z.B. die Analyse von Texten oder die Sichtung und Strukturierung von großen Mengen an Informationen kann künstliche Intelligenz heute schon besser und schneller als wir. Aber Empathie und Kreativität sind einzigartige menschliche Fähigkeiten, die künstliche Intelligenz nicht aufbringen kann.  

 

 

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